Meine Kinder weigern sich irgend jemandem die Hand zu schütteln. Weder zur Begrüssung, noch zur Verabschiedung. Als Mutter habe ich alle Phasen durch "Das gehört sich so!", "Sie ist sehr schüchtern!", "Mein Kind entscheidet das selbständig!", "Wenn Du nicht....!"... Ich war verwirrt, sauer, hilflos, zustimmend, drohend, vertändnisvoll, motivierend. Ich habe es jetzt verstanden und kann jeder Mutter nur raten, den gesunden Instinkt seines Kindes zu unterstützen.

Die Facetten der Wahrnehmung

Sicher kennst Du das Gefühl wenn Du in einen Raum eintrittst in dem gerade jemand vor Zuschauern heruntergemacht worden ist? Anspannung, eine knisternde Stille, verlegene Blicke..... Oder es wurde gerade über Dich geredet, Du öffnest die Tür und plötzlich ist es sehr still, oberflächliche Gespräche beginnen. Du spürst, das da "etwas in der Luft" hängt. Egal ob es Dich oder andere betrifft, Du nimmst Stimmungen wahr.

Bei hochsensiblen Menschen ist es so, das sie andere Menschen im Ganzen sehr bewusst wahrnehmen. Was bedeutet hochsensibel? Der Begriff Hochsensibilität wurde 1991 beginnend in einer Studie von Dr. Elaine Aron geprägt. Hochsensibilität kann als eine niedrigere Reizschwelle als beim "Durchschnitt" verstanden werden.

Als Beispiel, ich selbst bin ebenfalls hochsensibel, die Beschreibung meinerseits von anderen Menschen könnte folgendermassen lauten: Nicole ist extrem schreckhaft, weint sehr schnell, egal ob sie ein Buch liest, einen Film schaut oder bei der Beobachtung von Tieren oder Menschen. Nicole ist fast jedes Geräusch zu laut, sie nimmt jeden Duft wahr und nimmt die Stimmungen anderer Menschen wahr ohne mit ihnen gesprochen zu haben. Einige würden auch einfach sagen, Nicole ist schüchtern, introvertiert und ängstlich.

Hm, das hört sich negativ an? Wenn ich vor Schreck fast in Ohnmacht falle und mit meinem Schreckensschrei andere ebenfalls so richtig erschrecke, dann kann das auch sehr lustig sein, sobald Du Dich erstmal wieder beruhigt hast. Sobald ich mit meinem Mann einen Film sehe der "mitreissende" Szenen hat bekomme ich sofort Taschentücher gereicht ;-), wodurch ich schon wieder lachen muss.

Das mit den Geräuschen, das ist eine echte Herausforderung für mich. Ich selbst bin schon immer auf "leisen Sohlen" unterwegs. Wenn mein Mann oder die Kinder sich "normal" im Haus  bewegen, hört es sich für mich an, als wenn eine ganze Elefantenhorde durch ein Porzellanzimmer rennt. U N E R T R Ä G L I C H! Da kann ich so richtig aus der Haut fahren.

Es gibt hochsensible Menschen die es in grösseren Menschenansammlungen, wie einem Konzert, im Kino, Theater nicht aushalten können, weil sie die Empfindungen ihrer Mitmenschen einfach nicht aushalten, weder physisch noch psychisch.

Weil ich selbst sehr viel wahrnehme und für mich vieles besser verstehen gelernt habe, kann ich anderen nun mit diesen Erfahrungen weiterhelfen. Denn viele meinen, durch ihre Eigenschaften, nicht normal und damit nicht in Ordnung zu sein.

Du bist, genauso wie Du bist, genau richtig!

Ich selbst kenne diesen "Highly Sensitive Person (HSP) - Hochsensibel" - Begriff, in der Tiefe seiner Bedeutung, auch erst seit 3 Jahren und habe aufgeatmet - ich bin garnicht "falsch"!

Was hygienische Reinheit mit Hochsensibilität zu tun hat

Ich war vor einigen Wochen in der Deutschen Rentenanstalt. Da stehen in jedem Beratungsraum kleine Schilder, mit sinngemäss folgendem Satz: Bitte haben Sie Verständnis dafür, das unsere Mitarbeiter aus Hygienegründen angehalten sind, Ihnen nicht die Hand zu schütteln." Und ich war begeistert. Denn mir persönlich ist es unangenehm Menschen die Hand zu schütteln. Wie sehr, ist mir erst bewusst geworden, als meine Kinder sich strikt geweigert haben irgendjemandem die Hand zu reichen.

"Aus Hygienegründen!" Das ist so treffend zweideutig. Denn es handelt sich keineswegs um rein physische Reinheit um etwaigen Krankheitserregern zu entgehen. Sondern es geht auch um psychische Reinheit, um nicht den "Ballast" jeglicher Art seines Gegenübers in beide Richtungen, aufzunehmen. Das Energiefeld jeden Lebewesens, auch Aura genannt, ist sehr weit, darin befindest Du Dich bei einem Gespräch sowieso schon. Die zusätzliche Berührung über die Hände, insbesondere die Fingerspitzen, ist wie ein Download sämtlicher Informationen des Gegenüber.

Hochsensible Kinder / Menschen, nehmen diese Informationen sehr bewusst wahr. Und Kinder schützen sich vor diesen ungewollten Informationen durch Verweigerung der Berührung. Denn viele dieser meist "erwachsenen" Informationen überfordern sie gänzlich! Sie halten sich ganz natürlich hygienisch rein.

Benimmregeln versus Instinkt

Oh, es gab hier sehr viele Tränen wegen der Nicht-Begrüssung von Gästen. Der Höhepunkt war, das ein Gast meiner Tochter das mitgebrachte Geburtstagsgeschenk wieder mitnehmen wollte. Ich habe meine tränenüberströmte, emotional aufgewühlte Tochter damals an die Hand genommen und sie dazu gebracht die entgegengestreckte Hand zu schütteln. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, war wütend und hatte einen inneren Konflikt "Benimmregel" befolgen - keine weitere Diskussion und Geschenk erhalten oder "Bedürfnis" meiner Tochter respektieren - lange Erklärungen, verärgerte Gäste, noch traurigeres Kind wegen entgangenem Geschenk. Ich habe mich abends bei ihr dafür entschuldigt und versucht ihr zu erklären, warum manche Menschen bestimmte Benimmregeln erwarten.

Kinder sind so rein in ihren Empfindungen, auch wenn sie sie nicht in Worte fassen können. Kennst Du das, alles verstehen zu wollen um es annehmen zu können? Wer sagt denn, das diese sogenannten "Benimmregeln" auch von Dir übernommen werden müssen?

Ich frage mich mittlerweile: Dient dieses Verhalten meinem Wohlbefinden oder dem meines Kindes? Wenn nicht, dann werde ich das nicht "mehr" tun! Heutzutage wundern sich soviele Erwachsene das sie "abgestumpft" sind. Es ist halt so wie es ist. Nein, es wurde Dir aberzogen! Es ist nicht erwünscht das die Einzigartigkeit eines jeden Individuums gefördert wird.

Viele natürlichen Instinkte sind heutzutage unerwünscht. Frag nicht so viel. Sitz still. Mach das was alle machen, dann wird es schon richtig sein. Heul nicht. Jetzt sei doch nicht so schüchtern.

Instinktiv wissen die Kinder jedoch, das Bewegung einen Ausgleich schafft und sie beruhigt. Ihre Gefühle leben sie aus und erfahren erst durch die Bewertung von aussen, das Emotionen vielen Menschen Angst machen. Diese Erfahrungen prägen Kinder für ihr ganzes Leben.

Im Erwachsenenalter führt das zum Beispiel dazu, das Du Dich Deinen Mitmenschen nicht mitteilst, Dinge nicht hinterfragst und "aussitzt". Macht Dich das glücklich? Nein, nicht umsonst gibt es so viele Therapiemöglichkeiten "Raus aus meinem Hamsterrad!".

Ein wesentlicher Aspekt gegen die Benimmregeln und für die Unterstützung des instinktiven Verhaltens ist meiner Meinung nach, das Vertrauen in die eigene Einschätzung. Folgt Dein Kind stets den Regeln, verliert es den Kontakt zu seiner inneren Stimme. Ein inneres horchen bewirkt, das es im Hier und Jetzt die Situation einschätzt und eine eigene Entscheidung trifft, ganz bewusst. Das unterstützt seinen Selbstwert und fördert auch zukünftige, selbständige Entscheidungen.

Das heisst nicht, das alle Benimmregeln "schlecht" sind. Ich unterstütze lediglich einen selbstbestimmten Umgang im Sinne aller Beteiligten!

Warum nun gerade das "Hände schütteln" als Aushängeschild?

Offenbar ist gerade das "Hände schütteln" DIE Benimmregel Nr. 1. Die Menschen fühlen sich persönlich angegriffen, wenn meine Kinder sie weder anschauen, noch Hallo sagen und schon garnicht die Hände schütteln. Einige Menschen in unserem Umfeld fordern es ganz bewusst, mit ausgestreckter Hand, jederzeit aufs Neue. Ich fühle mich meist immer noch genötigt irgendeinen Kommentar abzugeben, schaffe es aber mittlerweile, mich darauf zu beschränken, meine Kinder eindringlich zu bitten einfach nur "Hallo" zu sagen. Und wenn es in meinen Schal an meinen Hals gepresst ist.

Es gibt Kinder die sehr offen und direkt die Hand reichen, aber ich nehme sehr bewusst wahr das es eine antrainierte Geste ist. Manche Kinder schütteln im Anschluss instinktiv die gegebene Hand, energetisch gesehen eine instinktive Reinigungsmassnahme.

Eine wissenswerte Information ist, das sich sehr viele Energiepunkte an der Hand befinden. Und vor allem in den Fingerspitzen sind sehr feine "Sensoren" die alles aufnehmen oder abgeben was an Informationen hindurch fliesst. Eventuell kennst Du das "Heilströmen - Jin Shin Jyutsu"? Da werden allein durch das Halten einzelner Finger Selbstheilungskräfte aktiviert.

Als Mutter hast Du die Möglichkeit Dein Kind in seinem Wesen zu unterstützen. Überlege Dir ob Du Dir ein angepasstes Kind wünschst, mit unterdrückten Emotionen oder ob Du ein selbst-bewusstes Kind mit eigenständiger Entscheidungsfähigkeit im Leben unterstützen möchtest. Vor allem bei hochsensiblen Kindern, ist es für deren Gesundheit & Wohlbefinden besonders wichtig, diese sogenannten "über-emotionalen" Verhaltensweisen zu respektieren.

Falls Du selbst nicht hochsensibel bist, dann hörst Du die leise Musik eventuell nicht, dann spürst Du die emotionale Unausgeglichenheit Deines Gegenübers vielleicht nicht, dann riechst Du den vagen Duft von Vanillepudding eventuell nicht, doch das heisst nicht das die Musik, das emotionale Chaos oder der Duft nicht da ist - nur für Dich einfach nicht wahrnehmbar.

Meine Bitte an Dich

Bitte respektiere die Wahrnehmungen Deines Kindes. Ich schreibe diesen Artikel heute Nacht weil ich viele "verzweifelte" Kinder unterm Weihnachtsbaum sehe, die durch die gesellschaftlichen "Benimmregeln" gezwungen werden, sich anzupassen und Emotionen aufzunehmen vor denen sie sich schützen möchten.

Verlange bitte nicht von Deinem Kind

• jemandem die Hand zu schütteln, wenn es dies nicht möchte
• jemandem in die Augen zu schauen, wenn es ihm unangenehm ist
• stundenlang still zu sitzen, wenn es vor Aufregung gar nicht weiss wohin mit den überschäumenden, glücklichen Emotionen (die wir als Erwachsene gerne wieder hätten)

Die Augen sind das Tor zur Seele, die Berührung führt zum er-leben.

Vertrau der Intuition Deines Kindes. Es verweigert sich hier nicht aus Trotz, sondern als reiner Selbstschutz, auch wenn keine "Bedrohung" im allgemein geläufigen Sinne besteht. Je älter es wird, desto besser kann es die Flut an Informationen auch einschätzen und wird dem einen oder anderen auch mal die Hand reichen. Überlass Deinem Kind die Entscheidung. Es ist lediglich Dein eigenes Glaubensmuster, das eingetrichterte Benehmen, das Dich hieran bislang gehindert hat. Das kannst Du jederzeit ändern, es ist Deine Entscheidung.

Ich wünsche Dir ein fröhliches & bewusstes Weihnachtsfest mit Deinen Lieben,